Billigrelais und Netzspannung

Immer wieder sieht man hier und an anderen Stellen im Netz, daß die arduinoüblichen Relaismodule

mit den üblichen darauf verbauten Billigrelais für Netzspannung verwendet werden.
"Steht doch drauf, daß die für 250VAC verwendet werden dürfen"

Leider ist es eben nicht so, daß diese Relais für Netzspannung verwendet werden dürfen, denn die Angabe "250VAC" bezieht sich nur auf die Kontakte, nicht aber auf das Relais an sich.

Daher habe ich mir mal die Mühe gemacht, so ein Relais aufzudremeln, nachzumessen und Bilder zu machen.

Zuerstmal der grundsätzliche Aufbau solcher Relais.
Außen:


und innen:

Man sieht ziemlich gut, daß der mittlere Anschluss des Wechselkontaktes zwischen den Spulenanschlüssen liegt. Genau so wie es auch im Anschlussbild zu sehen ist:

Wenn man sich die Unterseite betrachtet und misst, so beträgt der Abstand zwischen Mittelkontakt und den Spulenanschlüssen 5mm. Außerdem sind die meisten Hersteller mittlerweile dazu übergegangen, rund um den Lötanschluss des Mittelkontaktes Ausfräsungen zu machen, um die Kriechstrecke zu vergrößern. Soweit ja keine schlechte Idee. Zumindest die Platine ist dann (zumindest in vielen Fällen) ausreichend sicher.

Aber wenn man sich den inneren Aufbau betrachtet, sieht man, daß der Mittelanschluss des Relaiskontaktes zwischen den Anschlüssen für die Spule bis nach oben geführt wird und daß die Abstände zwischen dem Netzspannungsführenden Teil und den Spulenanschlüssen schon ziemlich knapp bemessen sind.

Wenn man nachmisst, beträgt der Abstand gerade einmal 2mm.

Für eine sichere Trennung zwischen Netzspannungsführenden Teilen und berührbaren Teilen (wozu ich die Kleinspannungsseite der meisten Schaltungen, gerade, wenn sie auf einem Steckbrett aufgebaut sind, einfach mal dazu zähle), beträgt laut DIN EN 61140 VDE 0140-1:2016-11 (die aktuellste Version dieser Norm) 4mm.
Also beträgt die Luftstrecke gerade einmal die Hälfte der geforderten Länge.

Die Überschlagsweite in Luft beträgt ca. 1cm/1000V und im Netz können schon mal Spannungsspitzen von mehr als 1000V auftreten.
Was das bedeutet, kann jeder für sich selbst entscheiden.

Nicht besser wird es, wenn man sich die Kontakte dieser Relais einmal ansieht:


Da ist nicht all zu viel Luft.

gerade einmal ein halber Millimeter.
Das nur der Vollständigkeit halber, denn solange Netzspannung anliegt, fasst ja sowieso niemand an die Leitungen. Aber das bedeutet, daß, selbst wenn so ein Relais ausgeschaltet ist, ist es nicht wirklich sicher, an einem Stromkreis zu schrauben, der da hinter hängt.

Mein persönliches Fazit dazu, bereits seit ich vor Jahren mal in irgend einer Zeitschrift (Elektor, Elrad oder so) einen Artikel bezüglich dieser Relais gelesen habe: Ich verwende solche Relais nur noch für Kleinspannungen. Wenn ich Netzspannung schalte, nehme ich ordentliche Relais, die sich nicht auf wenige mm Luftstrecke verlassen, sondern durch ihren Aufbau mit ausreichend Abstand und Isoliermaterial sicher(er) sind.
Auf dem Bild auf dieser Seite sieht man deutlich den komplett anderen Aufbau eines Relais mit VDE-Bapperl:

(Nicht daß mir gerade das VDE-Zeichen besonders wichtig wäre, aber die fast 10mm Abstand und das Plastik zwischen Spule und Kontakt sind es.)

Ob man diese Relais jetzt für Anwendungen mit Netzspannung verwenden will oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Genauso wie dafür, ob man ohne entsprechende Ausbildung überhaupt mit Netzspannung bastelt oder es doch lieber sein lässt.

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Die Anforderungen dieser Norm sind nur anzuwenden, wenn sie in anderen Normen eingearbeitet sind oder wenn in diesen auf sie Bezug genommen wird. Diese Norm ist nicht dafür vorgesehen, als eigenständige Norm angewendet zu werden.

Du musst schon die Relais Produkt norm benutzen

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Dir ist aber schon klar, daß es mir hier nicht explizit um Normen geht, auch wenn ich sie als Referenz herangezogen habe, sondern um die miserablen Abstände innerhalb solcher Relais. Dem Strom ist es egal, ob eine Norm für einen Anwendungsfall gerade explizit gilt oder nicht. 2mm sind einfach erschreckend wenig Abstand.

Anderen aber schon.

Die Komponenten sind für sich genommen nicht verwendungsfertig, sondern zum Einbau in Fertigprodukte bestimmt.

Im Zentrum der Prüfung steht die Sicherheit der jeweiligen Komponente.

// Edit
Pointe ist: Geprüft wird nach EN 61810-1:2015 was der VDE 0435-201:2015 entspricht.
(Seite 30 des Zertifikatestamm) und somit gelten die wie aufgemalt mit 250VAC/7A als zugelassen. Der Zertificate-Status lässt sich für dieses Relais bis 1997 zurück verfolgen.

Wo ist jetzt der Punkt bei diesem Zertifikat?
In der EN 60255-23:1996 geht es um das Kontaktverhalten der Relais, was hier nicht der eigentliche Punkt ist.
Und in der VDE 0435-201:2015 bzw. DIN EN 61810-1 geht es um das Verhalten der Erregung bei den vorgegebenen Parametern (Erregungsspannung / Umgebungstemperatur), was auch nichts mit der Isolation zu tun hat.

Die Isolationsparameter, Luftstrecke, Kriechstrecke, auch für Relais, stehen in der VDE 0110-1 bzw DIN EN IEC 60664-1 VDE 0110-1.
Und danach wurden diese Relais nicht geprüft.

Bevor Du das geschrieben hast, hast Du wenigstens ins Inhaltsverzeichnis geschaut?
Mindestens Nummer 13. und Anhang F befasst sich mit Isolierung durch Luft und Kriechstrecken.
Nummer 14 mit Anschlüssen (speziell 14.4 mit Lötanschlüssen) Ich weiss nicht, wo Du rausgelesen hast, dass die Norm (allein) die Erregung abhandelt.

Finder nennt 1mm als Mindestabstand:


aus: https://cdn.findernet.com/app/uploads/TecDE.pdf

Ich hab mal ein wenig Zeit gefunden.
Dein Verweis auf 60664-1 läuft schon auf der ersten Seite der Norm ins Leere.

Und wie ich gestern schon schrub: In der Norm

DIN EN 61810-1 (VDE 0435-201): 2015-10
Elektromechanische Elementarrelais

Teil 1: Allgemeine und Sicherheitsanforderungen

ist festgelegt, wie die jeweiligen Abstände auszusehen haben.
Dort Tabelle 18:

Wenn ich der folge, sind Deine Abstände mehr als ausreichend.

Ich sehe keinen Anlaß, dass die Relais nicht mit den ausgewiesenen Parameter nutzbar sein sollten.

Das dem evtl. der funktionale Aufbau auf den Platinen entgegensteht, war nicht die Frage.
Ob man den Teilen selbst vertraut oder sonstige Abneigungen hat, steht auf einem anderem Blatt. Das begründet aber nicht die Zulässigkeit infrage zu stellen.

GENAU , das ist der Punkt .

Ist dasselbe wie bei meiner Werkstadt. Ich muss den Mechaniker vertrauen.

Aber i.d.R. schalte ich persönlich damit max. 12 V. Also eine Strom den der Arduino nicht von selbst steuern-/schalten kann oder soll. Wie z.b. aktuell die Pumpen anzuwerfen für die Blumenbewässerung.

Und davon mal abgesehen. Es werde jedes Jahr 100.000ende von Teilen MIT VDE / CE-Zeichen aus den Verkehr gezogen. Ist auch nur ein Aufdruck. Das CE-Zeichen ist eher ein Witz. Der Hersteller versichert es macht alles richtig.
Und was passiert wenn er lügt. Er geht pleite und die Allgemeinheit muss den Schaden tragen.

Die ganze Diskussion erinnert mich an die TÜV-Geprüften Brustimplantate.
Mangelhafte Brustimplantate: EuGH-Urteil erwartet – News – Deutsches Ärzteblatt <- mal eben auf die Schnelle.

Ist wie gesagt, alles eine Frage des Vertrauens und seines eigenen Gefühl.

Gruß

Pucki

Augen auf!
CE ist u.A. eine Abkürzung für "China Export"

Ich war damals in der Firma involviert als unsere Produkte von DIN-NORM auf CE-Zeichen umgestellt wurden.

Meiner Meinung nach war das ein Rückschritt was die Anforderungen angeht.

Zertifizierungen sind nix anderes als Geldmacherei. Damals unsere DIN-Norm sagte wenigstens aus, was für Parameter man angewandt hat.

Davon abgesehen, die DIN-Norm ist KEINE Vorschrift. Man kann sie problemlos ignorieren. Zum Problem wird es erst, wenn etwas passiert. Dann beruft sich der Richter im Schadensfall auf diese Norm als Grundlage (sowas wie ein Gutachten).

Und wieso fällt mir jedesmal wenn ich Zertifikate lese/höre LEHMANN BROTHER ein :wink:

Gruß

Pucki

Jaaa, sowit liegst Du nicht daneben :wink:

Doch. Und zwar faktisch. Das Problem ist aber noch ein wenig anders gelegen.

Ich danke dir für deine saubere Beschreibung der Problematik und gebe dir vollkommen Recht. Wenn ich Netzspannung schalten möchte verwende ich ein sauber dokumentiertes Schütz oder ein entsprechend dokumentiertes Solid State Rely.
China Teile nehme ich nur in ungefährlichen Bereichen.

Also ist es nicht problemlos möglich.

Und?
Das Ergebnis ist, dass der TÜV in D nicht haftet, weil die französischen Aufsichtsbehörden versagt haben und der TÜV nur das geprüft hat, zu was er beauftragt wurde.

Hier wurde der TÜV beauftragt die Relais nach geltenden Normen zu prüfen und hat daraufhin das Zertifikat ausgestellt. Und das seit mindestens 28 Jahren mit entsprechenden Wiederholungszertifizierungen in denen u.a. auch eine Produktprüfung während der laufenden Produktion vorgenommen wird/wurde.

Im Übrigen sind die Normen EU-Standard und die Zertifizierung auch für CE ist daran gebunden.

PUNKT.

Der TÜV haftet NIE.

Gruß

Pucki

Mal etwas ausholen.
Normen muß man teuer kaufen. Diese sagen aus wie ein Produkt gebaut wird.
CE Verordnungen und Richtlinien erlauben den freien Handel in der EU. Wenn ein Produkt in einem Land zertifiziert ist, dann kann es ohne weitere Zertifizierungen in jedem LAnd der EU verkauft werden.
CE Verordnungen und Richtlinien können gratis in den verschiedenen Sprachen der EU heruntergeladen werden.

Aus: CE-Kennzeichnung – Wikipedia

EU-/EG-Verordnungen/Richtlinien sind politische Dokumente.
...
Verordnungen sind in den EU-Mitgliedsstaaten direkt umzusetzen. Richtlinien sind, nach einer Übergangszeit, in die bestehenden nationalen Gesetze zu integrieren und/oder durch neue einzelstaatliche Gesetzgebungsverfahren umzusetzen.

Zurück zum Relais / Relaismodul.

Der Aufdruck auf dem Relais gilt nur für das Relais (mal abgesehen ob der Hersteller/in Verkehr Bringer bzw Kontrollorganismen ihre Arbeit richig und Norm/Gesetzeskonform gemacht haben) Für das Modul, auf dem das Relais aufgelötet ist gilt das nicht. Da können (und sind oft) die Mindestabstände für Leiterbahnen bzw dessen Querschnitt/Breite nicht für den auf dem Relais aufgedruckten Werten vereinbar.

Die Frage ist nicht hält das Relais die Werte aus, sondern hält das gesamte Modul die Werte aus.

Das Problem sind nicht die Asiaten. Auch renomierte europäische Firmen haben nicht immer alle Papiere in Ordnung. (eigene Erfahrung im Krankenhaus).

Seid froh in Deutschland zu leben. In Italien sind die Normen nicht notwendig. Geräte müssen nach "a regola d'arte" (kann man mit "nach neusten Stand der Technik" übersetzen). Es wird angenommen, daß die Normen diesen Stand wiederspiegeln, also wenn man Normen einhält, ist man in Ordnung ist. Wenn nicht muß man beweisen das das Produkt sicher ist. Da ist nach Normen zu bauen einfacher und gesünder für die Nachtruhe.

Grüße Uwe

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